ASB Hamburg zu Gast in der Hauptstadtrepräsentanz in Berlin

12.03.2015
 | 
  • Soziale Dienste, 
  • Sozialeinrichtungen GmbH
Gudrun Schattschneider (Mitte), Leiterin der ASB-Hauptstadtrepräsentanz, gestaltete mit dem ASB Hamburg das Programm für den 1. ASB-Mittagstisch. Die Gäste waren Vertreterinnen und Vertreter des Bundestages sowie der AOK und Barmer GEK. Foto: ASB

Der 1. ASB-Mittagstisch des Jahres 2015 behandelte ein sehr sensibles Thema – die Prävention von Gewalt in der Pflege. Sabine Hallier-Bahnsen und Matthias Lüschen stellten das Präventionsprogramm des ASB Hamburg vor.

Berlin, 10. März 2015 - Ausgangspunkt des Hamburger Programms war ein Impulsreferat während einer Klausurtagung von Leitungskräften in der Pflege. Die darauffolgende Diskussion war so intensiv, dass eine langfristige Beschäftigung mit dem Thema angezeigt schien. „Zentrales Anliegen des Präventionsprogramms ist es, dafür zu sensibilisieren, was Gewalt in der Pflege alles sein kann – von zu lautem Reden mit Schwerhörigen über das Bestehen auf Nahrungsaufnahme bis hin zum Fixieren von Personen“, so Sabine Hallier-Bahnsen, die beim ASB Hamburg Qualitätsbeauftragte ist. Ebenso wichtig sei die Erkenntnis, dass Gewalt in der Pflege zumeist kein Ergebnis von Boshaftigkeit, sondern ein Zeichen von Stress und Überforderung sei.

Gewaltprävention durch fünf Themenschwerpunkte

„Wir wollen allen Beteiligten – Pflegenden, Gepflegten und Angehörigen – klare Richtlinien an die Hand geben, um ihnen Sicherheit bei ihren Handlungen zu ermöglichen“, stellte Matthias Lüschen, Leiter der Abteilung Soziale Dienste des ASB Hamburg fest. „Nur dann können die Pflegenden problematisches Verhalten reflektieren und Auswege suchen.“ Dabei wären die Pflegenden auch nicht immer Täter, sie würden auch Opfer sein oder Zeuge von problematischem Verhalten von Angehörigen. Insgesamt gelte es, eine Sensibilität für solches Verhalten zu entwickeln und klare Handlungswege aufzuzeigen. Dazu wurden folgende Themenschwerpunkte identifiziert:

1. Leitbild und Wertearbeit: Der ASB Hamburg als Arbeitgeber positioniert sich mit Blick auf den Umgang mit Gewalt klar und deutlich. Er achtet das Selbstbestimmungsrecht seiner Kunden, unterstützt die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Selbstreflexion und bietet Gesprächsmöglichkeiten an. Der ASB Hamburg pflegt eine Arbeitskultur, in der eigene Fehler und die von anderen benannt werden können, um sie zu reflektieren und abzustellen. Strafrechtlich relevantes Verhalten wird jedoch angezeigt.  

2. Kollegiale Beratung und Fallbesprechung: Ergänzt wird die offene Fehlerkultur durch kollegiale Fallbesprechungen sowohl im Mitarbeiter- als auch im Leitungskreis. Zudem hat der ASB Hamburg zwei Vertrauenspersonen benannt, mit denen (auch anonym) Fragen zu eigenem oder beobachtetem Verhalten geklärt werden können.

3. Verlässliche Dienste und Einsatzplanung: Gewalt kann auch strukturelle Ursachen haben. Denn Stress und Überbelastung kann bei Pflegekräften auch durch häufige Unsicherheit über das Dienstende und die fehlende Planbarkeit des Privatlebens entstehen. Das neue Lösungsmodell sieht nun vor, dass bei Dienstausfall eines Kollegen die zu pflegenden Kunden nicht auf die anderen Pflegekräfte aufgeteilt würden, sondern Kollegen, die ansonsten mit dieser Tour vertraut sind, den Pflegetag komplett übernehmen.

4. Kompetenzerweiterung: Die gezielte Kompetenzerweiterung beginnt in der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Zu Beginn der Tätigkeit erhält jede Pflegekraft eine Einweisung in die Leitlinien für eine gewaltfreie Pflege und in die gewaltpräventive Haltung der ASB-Pflegeeinrichtungen. Ergänzend werden regelmäßige Fortbildungen zum Thema angeboten.

5. Handlungssicherheit: Um den Kollegen den Umgang mit stressigen Situationen zu erleichtern, werden ihnen Leitlinien mit Interpretations- und Verhaltensmöglichkeiten an die Hand gegeben. Dabei ist irrelevant, ob sie eigenes problematisches Verhalten reflektieren müssen oder ob sie selbst physische oder psychische Gewalt durch die Kunden oder deren Angehörigen erleiden.

Interessierte Nachfragen

Der Vortrag wurde durch viele Nachfragen begleitet. So interessierte sich einer der Anwesenden dafür, ob es einen Unterschied im problematischen Verhalten gebe, je nachdem, ob eine Person ambulant oder stationär betreut werde. Herr Lüschen stellte fest, dass problematisches Verhalten in einer stationären Umgebung schneller auffallen würde. Eine andere Frage bezog sich darauf, ob schon bei der Auswahl des Pflegepersonals auf eine Sensibilität für Gewalt geachtet werden könne. Dies sei kein expliziter Teil von Bewerbungsgesprächen. Allerdings würde bei der Einarbeitung großen Wert auf die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelegt. Auch die Möglichkeiten im Umgang mit problematischem Verhalten von Angehörigen gegenüber den Gepflegten wurden nachgefragt: Je nach Vorfall würden Pflegende die Betroffenen vorsichtig auf Überforderungssituationen ansprechen, Vertreter von Pflegestützpunkten hinzuziehen und im schlimmsten Fall die Polizei oder ein Gericht einschalten. Letzteres sei aber zum Glück nur selten der Fall.