1956

Hamburger Samariter:innen mitten im kalten Krieg

Kurt Hörmann bekommt vom ASB-Bundespräsident Dr. Rolf Munkelt die silberne ASB-Nadel für seine Verdienste angesteckt.

Am 27. Oktober 1956 erhoben sich Arbeiter:innen und Intellektuelle in Budapest gegen die sowjetischen Besatzer, forderten freie Wahlen und den Abzug der Armee – doch 1.000 Panzer rollten Richtung Hauptstadt. Inmitten der Krise organisierte die „Samariter Internationale“ Hilfe aus Deutschland. Über Wien wurden mehr als 50 Tonnen Medikamente, Verbandsmaterial, Kleidung und Lebensmittel im Wert von 400.000 Mark nach Ungarn gebracht.

Am 1. November erreichten die letzten Hilfskonvois Budapest, darunter drei Hamburger ASB-Lkw. Auf dem Rückweg versperrten sowjetische Panzer die Straßen. Trotzdem gelang es dem ASB, Hilfsgüter ins Grenzgebiet zu bringen, wo ungarische Kuriere sie weiter in die eingeschlossene Hauptstadt schmuggelten.

Am 4. November richteten sowjetische Truppen mit 1.000 Panzern und Bomben ein Massaker unter den Freiheitskämpfer:innen an. Hunderte wurden verletzt oder getötet. Nach der Niederschlagung des Aufstands flohen Tausende Ungarn über die Grenze. Der ASB half in Flüchtlingslagern, stellte Verpflegung, Kleidung und Decken bereit.

Binnen einer Woche versorgten deutsche Samariter:innen 1.863 Erwachsene, 588 Kinder und 174 Babys. Der Wiener ASB bedankte sich: „Wir danken für Eure Spenden und Eure großartige Aktivität.“ Der Hamburger ASB-Landesvorsitzende Kurt Hörmann wurde später von Bundespräsident Theodor Heuß ausgezeichnet.

1957

Bürgermeister Sieveking gratuliert dem ASB Hamburg zum 50. Jubiläum

Ausstellung 50 Jahre Hamburger ASB.

Als Hamburgs Arbeiter-Samariter am 21. August 1957 ihr 50. Jubiläum feierten, regierte der von der CDU geführte sogenannte „Blocksenat“. Der damalige CDU-Bürgermeister Dr. Kurt Sieveking gratulierte und betonte die Verdienste des Arbeiter-Samariter-Bundes. Aus kleinen Anfängen sei eine Sanitätsorganisation entstanden, die durch öffentliche Kurse – insbesondere in Schulen und Großbetrieben – die „Erste Hilfe“ und den Sanitätsdienst fördere. Sie trage wesentlich zur Unfallhilfe und zum Bevölkerungsschutz bei. Gerade in einer Großstadt wie Hamburg sei diese Arbeit von besonderer Bedeutung. Dem ASB-Wahlspruch folgend, jederzeit zur Hilfe bereit zu sein, habe der Bund viele Menschenleben vor Gefahr bewahrt. Sieveking dankte für das selbstlose Wirken und wünschte weiterhin Erfolg.

1960

Samariter:innen bringen gelähmte Kinder in die Kita

„Der ASB hat sich immer besonders der Behinderten angenommen – deshalb machen wir natürlich sofort und gerne mit“, hieß es im Sommer 1960 im Landesvorstand. Die Beförderung spastisch gelähmter Kinder in die neueröffnete, städtische Sondereinrichtung für Drei- bis Sechsjährige war schon am Premierentag gesichert. Die Arbeiter-Samariter:innen waren Hamburgs erste Hilfsorganisation, die sich dieser Gruppe der Kleinen annahm. Eine besonders geschulte Samariterin betreute die Kinder während der Fahrt, die anfangs durch das ganze Stadtgebiet führte. Bald boten auch die anderen Kolonnen solche Transporte an. Schon wenige Jahre später hatte der ASB Hamburg ein flächendeckendes Transportnetz aufgebaut. 1971 wurden 62.000 behinderte Kinder vom ASB in Kindergärten und Schulen gefahren.

Ein Samariter hilft einem gelähmten Jungen in den neu angeschafften VW-Bus zur Fahrt in den Kindergarten.

1962

Der ASB geht an die Grenzen bei Hamburgs Jahrhundertflut

Kurz nach Mitternacht des 17. Februar 1962 heulten in ganz Hamburg die Sirenen. Ein Orkan mit Windstärke 12 trieb das Flutwasser fünf Meter über Normal. 312 Menschen ertranken, 75.000 wurden obdachlos. Besonders betroffen war Wilhelmsburg, wo viele ehemalige Bombenopfer in umgebauten Schrebergärten lebten. Viele konnten sich vor den Wassermassen nicht retten, darunter zahlreiche Kinder. Die Toten wurden mangels Platz in Leichenhallen auf der Kunsteisbahn Planten un Blomen aufgebahrt.

Dass es nicht noch mehr Opfer gab, verdankte Hamburg neben Bundeswehr und Technischem Hilfswerk auch dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Minuten nach den ersten Deichbrüchen waren bereits 50 Helfende vor Ort, bis drei Uhr über 200. Unterstützt wurden sie von ASB-Kolonnen aus Lüneburg, Wolfenbüttel, Kassel und Frankfurt mit Hilfsgütern und Notstromaggregaten. Da das Telefonnetz ausfiel, bauten die Samariter:innen mit Funktelefonen ein Kommunikationsnetz auf.

Die Hamburger ASB-Helfenden zeigten sich besonders erfinderisch: Aus Treibholz zimmerten sie einen 250 Meter langen Steg, um Menschen von Flachdächern zu retten. Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verlief unbürokratisch – Samariter:innen begleiteten Hubschrauber und Boote als Ortskundige.

Der ASB richtete eine Kleiderspendenstelle ein und verteilte Hilfsgüter, die Kolonnen aus ganz Deutschland nach Hamburg brachten. In der Verpflegungsstelle wurden für 4.000 Menschen mehrere Tonnen Lebensmittel verarbeitet. Spenden kamen von Anwohnenden, kleinen Läden und Großunternehmen. „Helfen um jeden Preis“ war das Motto der Arbeiter-Samariter in dieser schwersten Flutkatastrophe Hamburgs.

Hilfsbetten für die Flutopfer. ASB- Freunde aus Kassel halfen.
Rettungseinsätze in der Wasserwüste von Wilhelmsburg.