1933
Von den Nazis als „staatsfeindlich“ eingestuft und zerschlagen
Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler – die 12-jährige Schreckensherrschaft der Nazis begann. Auch für den ASB folgten schwere Jahre: Viele Mitglieder:innen wurden wegen ihrer politischen Überzeugung verhaftet oder in KZs ermordet.
Die Auflösung des ASB verkündete das Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung: „Infolge der unter dem 1. September 1933 erfolgten Überführung des Arbeiter-Samariter-Bundes in das Deutsche Rote Kreuz wird die Bestellung des Dr. med. Dommel zum ASB-Ministerialkommissar […] aufgehoben.“ Der Nazi-Arzt hatte seinen Auftrag erfüllt – die Zerschlagung des ASB und anderer „staatsfeindlicher Organisationen“ war abgeschlossen.
Die Übergabe der Vermögenswerte an Behörden und Naziorganisationen wie SA und SS zog sich noch über ein Jahr. Detailliert wurden enteignete Güter aufgelistet: Sozialdemokratische Druckereien, ASB-Sanitätsmaterial, Sportgeräte, Musikinstrumente, Fahrräder, Filme, Handschriften, Archive – und sogar Brieftauben, mit denen die Hamburger Samariter:innen womöglich geheime Kontakte nach Dänemark hätten pflegen können.
(Quelle: Von Bargen, Susanne / Fleckenstein, Knut / Grosser, Walter: 100 Jahre ASB Hamburg)
Auswirkungen der Gleichschaltung auf den Hamburger ASB
Auch in Hamburg folgte man den preußischen Vorgaben – der Hamburger Senat wurde am 8. März 1933 gleichgeschaltet und stand seither unter Kontrolle der Reichsregierung. Nach den Reichstagswahlen trat der alte Senat nahezu geschlossen zurück. Am 3. Mai 1933 verbot der Chef der Ordnungspolizei kommunistische und marxistische Organisationen, darunter KPD, SPD und ihre Nebenorganisationen. Der ASB war davon zunächst nicht betroffen. Jacob Schmitt blieb Kreisleiter des 8. Kreises, Werner Preuß wurde im Geschäftsbericht als Kolonnen- und Bezirksleiter genannt. Ob er im Amt blieb, ist unklar. Der ASB blieb jedoch nicht unbehelligt: Jüdische Kolonnenärzte wie Rudolf Elkan und Scholem Feldstein wurden früh verfolgt. Elkan floh nach einem Übergriff im Juni 1933 nach Großbritannien, Feldstein entkam im Mai 1933 nach Israel. Am 22. Juni schrieb Polizeichef Alfons Richter, der ASB sei kommunistisch-sozialistisch geprägt und gefährlich für den Staat. Danach brach die Kommunikation mit den Kolonnen ab.
Am 19. September beantragte ein Senatsmitglied 19.000 RM zur Ausstattung von etwa 240 Samariterübertritten zum Roten Kreuz. Bereits am Vortag hatte ein Vertreter des DRK Hamburgs beklagt, dass ein Großteil des ASB-Materials an SA- und SS-Formationen übergegangen sei. Andere Kolonnen übergaben ihre Ausrüstung ans DRK. Bis August 1934 traten 240 ehemalige Samariter dem DRK bei, 60 verließen es mangels Ausrüstung wieder. Im November erhielt das DRK 12.000 RM aus der ASB-Liquidation. Zwei namentlich bekannte Samariter, Stamerjohann und Hörmann, beteiligten sich nach 1945 am Wiederaufbau des ASB. Die Zahl der tatsächlich Übergetretenen bleibt unklar. In Hamburg wechselten ganze Kolonnen (Moorburg), wurden neu gegründet (Geesthacht) oder in DRK-Kolonnen umgewandelt (Bramfeld).
(Quelle: Burfeind, Marthe / Köhler, Nils / Stommer, Rainer: Der Arbeiter-Samariter-Bund und der Nationalsozialismus, Verlag Ch.Links)
ASB-Arzt Kurt Gröbe – von den Nazis unter Druck gesetzt
Der ASBler Kurt Gröbe war Arzt und Sozialdemokrat – und damit ein politischer Außenseiter im nationalsozialistischen Deutschland. Bereits in der Weimarer Republik hatte er sich in Gera für soziale Gerechtigkeit engagiert. Während der NS-Zeit wurde Gröbe zunehmend bedrängt. Als aktives SPD-Mitglied stand er unter Beobachtung, konnte jedoch weiter praktizieren, ohne offen verfolgt zu werden. Politisch musste er sich stark zurückhalten, zugleich wuchs in ihm der Wunsch, sich nach dem Krieg wieder aktiv am demokratischen Aufbau zu beteiligen. Mit Kriegsende schloss er sich dem Kulturbund in der Sowjetischen Besatzungszone an und kandidierte für die SED – doch bald geriet er dort wegen seiner kritischen Haltung unter Druck. 1948 verließ er die SBZ und floh nach Hamburg. Hier fand er nicht nur beruflich am Universitätsklinikum Eppendorf Anschluss, sondern engagierte sich erneut politisch und sozial – nun in einer demokratischen Umgebung.
(Quelle: Burfeind, Marthe / Köhler, Nils / Stommer, Rainer: Der Arbeiter-Samariter-Bund und der Nationalsozialismus, Verlag Ch.Links)
Julius Gregersen – Handwerker, Held, Hamburger
Julius Gregersen kam 1882 in Mecklenburg zur Welt und zog als junger Glaser Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hamburg. In der Hansestadt fand er nicht nur Arbeit, sondern auch seine politische Heimat. Ab 1906 engagierte er sich aktiv in der SPD – inspiriert von seinem Vater, der bereits in der Arbeiterbewegung aktiv gewesen war. Gregersen war überzeugt: Solidarität und soziale Verantwortung gehören zum Handwerk wie Glas und Rahmen.
In Hamburg gründete er eine Familie, heiratete Luise Koch aus Flensburg und zog mit ihr in eine Wohnung in der Stadt. Hier wurde auch ihr Sohn Christoph geboren. Doch das politische Klima veränderte sich: 1913 verließ Gregersen Hamburg und wurde in Flensburg selbstständiger Glasermeister. Doch seine Hamburger Zeit prägte ihn – und seine Netzwerke blieben bestehen.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, organisierte Gregersen mutig Fluchthilfen über die Ostsee nach Dänemark – auch mit Hilfe von Hamburger Genossen. Sein Motorrettungsboot, ursprünglich für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Flensburg angeschafft, wurde nun zur Lebensrettung eingesetzt. Gregersen, einst aktiver ASB-Mann, wurde so zum stillen Helden des Widerstands. Insgesamt rettete er 27 Menschen, bevor er selbst verhaftet wurde. Sein Mut und seine Verbundenheit mit Hamburg und dem ASB wirken bis heute.
(Quelle: Burfeind, Marthe / Köhler, Nils / Stommer, Rainer: Der Arbeiter-Samariter-Bund und der Nationalsozialismus, Verlag Ch.Links)
1941
ASB-Arzt Hugo Natannsen – 10-jährige Flucht mit grausamen Ende
Der Hamburger Arzt Hugo Natannsen wurde am 2. November 1897 im pommerschen Köslin als Sohn jüdischer Eltern geboren. Nach dem Abitur wurde er im Ersten Weltkrieg eingezogen und kehrte 1918 leicht verwundet zurück. Er studierte Medizin, promovierte 1924 in Kiel und ließ sich 1925 in Hamburg als Allgemeinmediziner nieder. 1929 heiratete er Harriet Brück-Telner und adoptierte ihre Tochter Jutta. Natannsen spezialisierte sich auf Rheumabehandlung und veröffentlichte 1931 eine medizinische Schrift.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet er als Jude und Sozialdemokrat unter Druck. 1933 wurde ein Strafverfahren wegen regimekritischer Äußerungen eingeleitet, 1934 verlor er seine Kassenzulassung und floh mit seiner Familie über Paris nach Odessa. 1935 wurde er dort Dozent, jedoch 1938 wegen angeblicher Spionage ausgewiesen. Die Familie emigrierte nach Prag, wo sie 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft und Natannsen seinen Doktortitel verlor. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1939 war die Familie erneut gefährdet. Am 3. November 1941 wurde sie nach Litzmannstadt deportiert, wo Natannsen als Chefarzt im Ghetto tätig war. Am 7. Juli 1944 wurde die Familie nach Kulmhof deportiert und dort am selben Tag in einem Gaswagen ermordet – zehn Jahre nach ihrer Flucht aus Deutschland.
(Quelle: Burfeind, Marthe / Köhler, Nils / Stommer, Rainer: Der Arbeiter-Samariter-Bund und der Nationalsozialismus, Verlag Ch.Links)