1907

Der Arbeiter-Samariter-Bund wird mit Elbwasser „getauft“

1907 war kein Fotograf dabei – dafür stellten sich die Gründer beim 25. Geburtstag des ASB Hamburg vor die Kamera.

Es sollte ein schöner Abendausflug mit einem Dampfer auf der Elbe werden. Bei Würstchen, Holsten Bier und Köm wollten die konservativen feinen Herren und die sozialdemokratisch gesinnten Arbeiter:innen von der Sanitätskolonne des Roten Kreuzes ihren Streit begraben. Doch an Bord kam alles anders: Der adelige Herr von Knesebeck und die Arbeiter August Voigt und Heinrich Brauer gerieten aneinander. Grund waren die ständigen Absagen Knesebecks, sobald SPD oder Arbeiter-Sportvereine Sanitätshelfer:innen anforderten. „Jede sozialdemokratische Gesinnung ist mit der Mitgliedschaft in einer freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz unvereinbar“, erklärte von Knesebeck und forderte die Entfernung solcher Mitglieder:innen.

Noch auf dem Dampfer kam es zum Bruch: Etwa 20 Arbeiter:innen traten aus. Heinrich Brauer begründete in der Zeitung „Hamburger Echo“: „Wir wollten eine Sanitätskolonne, die für alle Menschen da ist.“ Er rief für den 5. August 1907 zu einer Besprechung in die Gaststätte „Weidemann“ in der Neustadt auf. Rund 50 Teilnehmende, darunter sozial gesinnte Ärzte, diskutierten ausgiebig, ob eigene Samariterkolonnen möglich wären. Zwar sorgten sich viele um die Kosten, aber Brauer überzeugte: „Unsere Aufgabe soll es sein, bei Veranstaltungen und in Betrieben Erste Hilfe zu leisten.“ Eine Kommission zur Gründung des Hamburger Arbeiter-Samariter-Bundes wurde gebildet. Schon am 21. August 1907 fand die Gründungsversammlung statt. Heinrich Brauer wurde erster Vorsitzender, fünf Ärzte schlossen sich ehrenamtlich an. Die erste Schulung begann am 4. Oktober 1907 im Gewerkschaftshaus. Der Zulauf war so groß, dass die Teilnehmenden in zwei Gruppen geteilt werden mussten. Um weite Wege zu vermeiden, entstanden bald Samariter-Kolonnen in Altona, Wandsbek, Harburg und weiteren Orten. Bereits ein Jahr nach der Gründung erhielt der ASB Hamburg ein besonderes Geschenk: Der Uhrmacher Heinrich Dräger aus Howe, Gründer der Dräger-Werke, stellte dem ASB einen Pulmotor, ein Wiederbelebungsgerät, zur Verfügung. Die Hamburger Samariter:innen waren die ersten, die diese innovative Erfindung erfolgreich einsetzten.

(Quelle: Von Bargen, Susanne / Fleckenstein, Knut / Grosser, Walter: 100 Jahre ASB Hamburg)

1912

Keine fröhlichen Ostern bei der ASB-Bundestagung in Hamburg

ASB-Einsätze im Gängeviertel waren Alltagsroutine unter schwersten Bedingungen.

Ostern 1912 trafen sich über 3000 Delegierte der landesweit verteilten 48 ASB-Kolonnen im Hamburger Gewerkschaftshaus und bilanzierten das Vorjahr: 1911 wurden 2.706 Menschen ausgebildet und bei 12.387 Unfällen Erste Hilfe geleistet. Die ASB-Jahreseinnahmen betrugen 9.541 Mark, die Ausgaben 7.793 Mark und 67 Pfennige. Ein Hamburger ASB-Arzt referierte über aseptische Wundbehandlung, der Nürnberger Arzt Dr. Frommholz über das Seelenleben Verletzter.

Bitterer Höhepunkt des Kongresses war die Begehung des Gängeviertels, einer „Brutstätte der Cholera-Epidemie“. Der Protokollant notierte: „Die Häuser stehen so dicht gegenüber, dass man bequem von einem Fenster aus durch das gegenüberliegende Fenster den Nachbarn etwas zureichen kann. […] In diesen Kneipen liegen die Menschen nicht wie Menschen gebettet, sondern gleich einem Stück in einem Raum von 6 Quadratmetern 20 bis 30 Personen nebeneinander und übereinander auf dem Fußboden. Was den Leuten erreichbar ist, nehmen sie als Unterlage für ihr müdes Haupt, ganz gleich ob Tisch, ob Stuhl, ob es ein Klotz ist.“

(Quelle: Von Bargen, Susanne / Fleckenstein, Knut / Grosser, Walter: 100 Jahre ASB Hamburg)

1914

Das Eis zwischen dem ASB und dem Roten Kreuz schmilzt im Angesicht des 1. Weltkriegs

Die Hilfe des ASB gilt traditionell den Opfern auf dem „Schlachtfeld der Arbeit“ – das Rote Kreuz hingegen sei stark vom militärischen Geist geprägt, so beschrieb es Kurt Biging nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Doch auch die Arbeiterschaft konnte sich dem Krieg nicht entziehen. Sie zeigte ihren Willen zum Frieden, indem sie versuchte, das Leid zu lindern. Dies brachte den ASB und das DRK einander näher. Die Arbeiter-Samariter:innen brachten eine „heilsame Blutauffrischung“, da ihre Ausbildung besonders sorgfältig und praxisnah war. Neben Erster Hilfe wurde auch häusliche Krankenpflege vermittelt, um verwundete Soldaten nach der Lazarettzeit zu versorgen. Der ASB übernahm vor allem den Verwundetentransport. Laut Biging konnten Arbeiter-Samariter:innen ihre verletzten Klassengenossen – zu denen der überwiegende Teil der Verwundeten zählte – besonders gut betreuen, da sie ihnen auf Augenhöhe Trost und Unterstützung boten.

(Quelle: Von Bargen, Susanne / Fleckenstein, Knut / Grosser, Walter: 100 Jahre ASB Hamburg)